Kommunikation der sterblichen Wesen miteinander, mit den anorganischen und mit den geistigen Wesen

Jeder Mensch ist sowohl ein eigenständiges Lebewesen als auch ein Ort, an dem viele andere Wesen mit ihm zusammentreffen: anorganische, sterbliche und geistige. Auf ähnliche Weise macht er sich selbst woanders bemerkbar. Vielfach wirkt eines aufs andere durchgreifend ein, oft jedoch kommt es zu Wechselwirkungen, wodurch die Einflüsse gefiltert oder umgelenkt werden. So bildet jeder Mensch "in dem Strom der Welt" einen "Charakter" (Goethe: Torquato Tasso, Erster Aufzug, Zweiter Auftritt, Leonore), je nach der Gesellschaft, die sich bei ihm am wohlsten fühlt, beziehungsweise den Charakteren, bei denen er selbst am liebsten einkehrt – und in eins damit einen unsterblichen Organismus.

100 Wörter, 689 Zeichen

Nach Gustav Theodor Fechner: Das Büchlein vom Leben nach dem Tode, Drittes Kapitel

Der sterbliche Organismus bildet den geistigen

Vor der Geburt beschränkt sich unser Leben auf die mehr oder weniger vortreffliche Bildung des sterblichen Organismus, dessen Entbindung den mittleren Lebensabschnitt zur Folge hat. In diesem bildet sich – wiederum mehr oder weniger vortrefflich – der neue, geistige Organismus, der durch den Tod vom alten entbunden wird. Im Leben nach dem Tod geschieht ganz und gar, was zuvor nur teilweise geschehen ist und vielfach kaum begonnen hat: die unbehinderte Kommunikation und wechselseitige Befruchtung aller Geistseelen. Dieses dritte Leben beginnt ähnlich leidvoll, wie das zweite oft verlaufen ist, doch zuletzt wird jedes Unheil ausheilen und allen die ewige Glückseligkeit zuteil.
Nach Gustav Theodor Fechner: Das Büchlein vom Leben nach dem Tode, Zweites Kapitel

Der leibseelische Tod als geistige Geburt

Wir haben drei Leben: ein leibliches, ein seelisches und ein geistiges. Diese drei scheinen in unserem jetzigen vereinigt zu sein. Aber das rein leibliche Leben ging dem jetzigen voraus, und das rein geistige steht ihm noch bevor. Im derzeitigen seelischen Leben sind wir dabei, unsere Leiblichkeit zu verausgaben und unserer Geistigkeit innezuwerden. Beides gelangt im rein geistigen Leben so zum Abschluss, dass die vereinzelnde Leiblichkeit uns nicht mehr voneinander abkapselt, sondern das innigste Miteinander aller Seelen zulässt, so langwierig in vielen Fällen das Zusammenraufen noch sein mag. In diesem Sinn bedeutet der Tod, ins vollkommene Leben hinein geboren zu werden.
Nach Gustav Theodor Fechner: Das Büchlein vom Leben nach dem Tode, Erstes Kapitel

Der Gevatter Tod

Ein bettelarmer Mann zieht für seinen jüngsten Sohn dem lieben Gott und dem Teufel den Tod als Taufpaten vor. Der Pate zeigt dem Heranwachsenden ein Kraut, das diesen zu einem Wunderarzt werden lässt, und verrät ihm stets, welche Patienten er heilen darf und welche nicht. Durch einen Trick heilt der Arzt auch den todkranken König und danach dessen ebenfalls dem Tod geweihte Tochter. Das verübelt ihm der Pate so sehr, dass er ihn in die Höhle mit den Lebenslichtern abführt. Das Licht des Arztes ist dort gerade am Erlöschen. Da hilft ihm kein Trick mehr, denn der Tod nimmt Rache.

Der Tod und die Lebensstufen

Der Mensch lebt auf der Erde nicht einmal, sondern dreimal. Seine erste Lebensstufe ist ein steter Schlaf, die zweite eine Abwechslung zwischen Schlaf und Wachen, die dritte ein ewiges Wachen. [...] Der Übergang von der ersten zur zweiten Lebensstufe heißt Geburt; der Übergang von der zweiten zur dritten heißt Tod.
Gustav Theodor Fechner (Das Büchlein vom Leben nach dem Tod, Erstes Kapitel)

Zum Tod von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind seit dem 15. Januar 1919 tot. Beide waren damals 47 Jahre alt. Sie starben keines natürlichen Todes, sondern sie zählten zu den ersten Opfern rechtsextremer Gewalt nach dem Ende des deutschen Kaiserreichs. Beide wurden in Berlin von Angehörigen einer paramilitärischen Freikorps-Einheit erschossen; es waren Auftragsmorde. Am 12. Januar war in der Reichshauptstadt der "Spartakusaufstand" genannte Generalstreik blutig niedergeschlagen worden. Die führenden Spartakisten und KPD-Mitbegründer Luxemburg und Liebknecht wurden, obwohl nicht maßgebend an den Kämpfen beteiligt, als Drahtzieher gesucht und festgenommen. Ihr politisches Ziel war eine deutsche Räterepublik; auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde liegen sie begraben.

Sein Leben verlieren

Weil ein Mensch und sein Leben dasselbe ist, können nur andere sein Leben verlieren.

Pour longtemps?

Ein französisches Sprichwort lautet: "Quand on est mort, c'est pour longtemps. / Wenn man tot ist, dann für lange Zeit." Haben die Gestorbenen indessen keinerlei Zeitempfinden, so schrumpft für sie die Zeit des Todes derart zusammen, dass es mit ihrem Tod im Nullkommanichts auch schon wieder vorbei ist. So dass gegen den zitierten Spruch folgender Widerspruch steht: Der Verstorbene ist nur für die Hinterbliebenen mehr oder weniger lange tot, für sich selber überhaupt nicht. Für ihn geschieht demnach sofort wieder etwas anderes. Es sei denn, man versteht unter dem Tod von vornherein eine Seinsweise, also eine andere Spielart des Lebens.

Wir müssen sterben, aber ...

Trotz des Todes "spüren und erleben wir, dass wir ewig sind" (Spinoza: Ethik, Lehrsatz V 23).

Abschaffung des Todes

Der Mensch ist trotz all seiner Tödlichkeit dabei, die Sterblichkeit zu überwinden; das deuten sowohl die religiösen Vorstellungen als auch die technischen Errungenschaften an.

Nicht mehr leben so unfassbar wie immer leben

Den Tod können wir eigentlich nicht begreifen, "seine Idee spottet des Denkens kaum weniger als die von Unsterblichkeit" (Adorno, Negative Dialektik, Suhrkamp 1975, 364).

Leben und Tod

Alles ist immer lebendig und tot zugleich.
Nach Heraklit

Nur einmal?

"Einmal lebt ich, wie Götter, und mehr bedarf's nicht" (Hölderlin) – doch, bitte nochmal!

Abschlussarbeit

Der Tod ist das ideale Thema einer unvollendeten Abschlussarbeit.

Endstation

Am Ende sind wir nur noch gut genug zum Sterben.
Nach Ernest Becker, zitiert bei Judith Viorst: Mut zur Trennung, Heyne 1990, S. 404

Tod und Sinnfrage

Der Tod ist das Ereignis, womit unser jetziges Leben endet. Jeder Mensch weiß, dass er zu den Sterblichen gehört und "mitten im Leben vom Tod umfangen" ist. Derart mit dem Tod vor Augen, verstehen wir es trotzdem, diesem unserem Leben einen Sinn abzugewinnen. Oder ist das Leben vielleicht sogar nur deshalb sinnvoll, weil es endlich ist? Weil nur ein Sterblicher sein Leben für etwas Sinnvolles einzusetzen vermag? Jedenfalls ist es uns möglich, dafür zu sorgen, dass das Leben bereits vor dem Tod ein Leben in Fülle ist. Wie auch immer es um ein Leben "nach dem Tod" bestellt sein mag.